Kann ein Herstellungsanspruch im Werkvertragsrecht automatisch verjähren?

(Beitrag vom 1. Juni 2021)

 

Sofern ein Werk nicht oder nicht mangelfrei hergestellt wurde, bestehen Mängelgewährleistungsrechte, welche nach § 634a Abs.1 Nr. 2, Abs.2 BGB nach fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der Abnahme des Werkes verjähren. Hier stellt sich die Frage, was aber gilt, wenn eine solche Abnahme nicht erfolgte?

 

Kann der ursprüngliche Erfüllungsanspruch auf Herstellung eines mangelfreien Werkes verjähren?

Nach Ansicht des OLG Hamm (Urteil v. 30.04.2019 – 24 U 14/18) kann der ursprüngliche Erfüllungsanspruch auf Herstellung eines mangelfreien Werkes, der der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB unterliegt, bei Herstellung eines mangelhaften Werkes nicht vor der Abnahme und somit vor Beginn der Verjährung des Nacherfüllungsanspruches nach § 634a Abs.2 BGB verjähren. Erst nach Abnahme entstehe der Nacherfüllungsanspruch und beginne dessen Verjährung, da sich hierdurch der ursprüngliche Erfüllungsanspruch umwandle. Somit sei die Verjährungsfrist des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs an die Verjährungsfristen des Nacherfüllungsanspruchs geknüpft. Die gegenteilige Annahme, der ursprüngliche Erfüllungsanspruch könne schon vor der Abnahme und somit vor Verjährungsbeginn des Nacherfüllungsanspruchs verjähren, würde dazu führen, dass der Besteller aufgrund der Verjährung des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs nicht seine Rechte durchsetzen könne. Sobald er aber die Abnahme erkläre, könne derselbe Anspruch doch geltend machen. Die Abnahme würde also die Verjährung des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs beseitigen.

 

Nichterfüllung oder Schlechtleistung?

Dabei müsse aber zwischen Nichterfüllung und Schlechtleistung differenziert werden. Im Falle einer Nichterfüllung, das Werk wird also gar nicht hergestellt, bleibe es bei der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren, der ursprüngliche Erfüllungsanspruch könne sich wegen des fehlenden Mangels nicht in einen Nacherfüllungsanspruch umwandeln. Der ursprüngliche Erfüllungsanspruch bliebe dann weiter fortbestehen. Für den Besteller sei erkennbar, dass das Werk nicht hergestellt werde, ihm sei zuzumuten, innerhalb der dreijährigen Frist Klage auf Herstellung des Werkes zu erheben. Werde das Werk aber hergestellt, jedoch nicht frei von Mängeln, so teile sich der ursprünglich Erfüllungsanspruch auf Herstellung eines mangelfreien Werkes auf: Für den Teil, der noch nicht erstellt worden sei, bleibe der ursprüngliche Erfüllungsanspruch weiter bestehen, es sei kein Mangel gegeben, sodass ein Nacherfüllungsanspruch nicht in Betracht käme. Hier bliebe es bei der dreijährigen Verjährungsfrist, der Anspruch sei nach Ablauf dauerhaft nicht durchsetzbar. Hinsichtlich des mangelhaft erstellten Teils erlösche der ursprüngliche Erfüllungsanspruch nicht durch die Abnahme, sondern wandle sich durch dieselbe in den Nacherfüllungsanspruch um. Für diesen gelte die oben genannte Verjährungsfrist. Der Beginn der Verjährung vor der Abnahme sei auch nicht sachgerecht, da der Besteller dann zwar die Abnahme noch erklären könnte, aber Gefahr läuft, für den Nacherfüllungsanspruch möglicherweise auch ein mangelhaftes Werk abnehmen oder verjährungsunterbrechende oder -hemmende Maßnahmen ergreifen zu müssen, um eine Hemmung der Verjährung des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs herbeizuführen.

Nach Ansicht des OLG Köln (Urteil v. 21.08.2020 – 19 U 5/20) hingegen muss, auch bei einer nicht erfolgten Abnahme des Werkes, für den ursprünglichen Erfüllungsanspruch zumindest die zehnjährige Verjährungshöchstfrist nach § 199 Abs.4 BGB gelten.

Beide Auffassungen sind nachvollziehbar begründet.

Auf den ersten Blick erscheint die Meinung des OLG Hamm überzeugender. In Zustimmung zu dem OLG Hamm ist es aber für die Verjährung untypisch, dass der Besteller zunächst durch die Verjährung des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs an der Durchsetzung seiner Rechte gehindert wird, durch die Erklärung der Abnahme aber seinen Nacherfüllungsanspruch durchsetzen könnte. Problematisch ist aber die vom OLG Hamm vorgenommene Differenzierung zwischen Nichterfüllung und Schlechterfüllung – die Übergänge sind in der Praxis fließend und nicht ohne Weiteres rechtssicher festzustellen. Insoweit ist die Auffassung des OLG Köln immerhin praktikabel und lässt keine Zweifel über den Zeitpunkt der Verjährung aufkommen.

Es bleibt abzuwarten, wann die immer noch stark diskutierte Frage zur Verjährung des Herstellungsanspruchs durch den Bundesgerichtshof entschieden wird.
Bis dahin ist das Problembewusstsein wichtig, um für unsere Mandanten die jeweils passenden Argumente und erfolgversprechenden Schritte zu erkennen und auch durchsetzen zu können.