Mit seinem Urteil vom 03.02.2021 (Az. VIII ZR 68/19) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass das hohe Alter eines Mieters oder eine lange Mietdauer noch keine Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 S.1 BGB bedeuten, die der Kündigung des Vermieters entgegengehalten werden kann.
Die mittlerweile fast 90-jährige Beklagte mietete seit 1997 bei der Klägerin eine Wohnung. Die Klägerin, welche die Wohnung 2015 erworben hat, hat das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs gekündigt. Die Beklagte hat der Kündigung widersprochen und gem. § 574 BGB auf ihr hohes Alter und den beeinträchtigten Gesundheitszustand sowie eine langjährige Verwurzelung vor Ort verwiesen. Auf dieser Grundlage hat sie die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangt.
Der BGH hat der Rechtsauffassung der Vorinstanzen widersprochen, welche der Ansicht gewesen sind, dass die Beklagte einen Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses für einen unbestimmten Zeitraum habe.
Allein das hohe Alter rechtfertigt noch keine Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 S. 1 BGB. Denn dieses wirkt sich je nach Persönlichkeit und körperlicher sowie psychischer Verfassung unterschiedlich aus. Vielmehr müssen noch weitere Umstände hinzutreten. Insbesondere kann eine Härte zu bejahen sein, wenn zu den Umständen eines hohen Alters eine Verwurzelung aufgrund langer Mietdauer oder Erkrankungen des Mieters hinzukommen, aufgrund derer im Falle einer Aufgabe der Wohnung eine Verschlechterung seines gesundheitlichen Zustandes zu erwarten ist. Eine Entstehung hängt also maßgeblich von der individuellen Lebensführung des einzelnen Mieters ab. Die Mietdauer allein reicht für eine Verwurzelung nicht aus.
Der BGH hat das Urteil des Landgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zur weiteren Prüfung an das Gericht zurück verwiesen. Ein Sachverständigengutachten soll darüber aufklären, wie tief die Verwurzelung im Einzelfall geht.
Im Ergebnis darf bei einer Prüfung eines Härtefalls im Sinne des §574 BGB keine pauschale Kategorisierung durchgeführt werden. Vielmehr müssen die Umstände im Einzelfall festgestellt und im Anschluss daran die Interessen gegeneinander abgewogen werden.