Der BGH hat in einer Entscheidung vom 11.12.2019 (VIII ZR 144/19) festgestellt, dass bei einer Eigenbedarfskündigung nicht nur zu prüfen sei, dass kein alternativer Ersatzwohnraum zu Verfügung stehe, sondern auch die Vermieterinteressen mit einzubeziehen seien. Eine schematische Betrachtung verbiete sich danach.
Die Mieter bewohnten seit dem 29.10.2010 eine im ersten Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses gelegene Vierzimmer-Wohnung mit fünf Kindern, von denen einige noch minderjährig waren. Der Vermieter war seit dem 01.06.2016 Eigentümer der Liegenschaft. Über der von den Mietern und ihrer Familie genutzten Wohnung lag eine Dachgeschosswohnung, die über drei Wohnräume und über zwei weitere unter den Dachschrägen gelegene Räume mit einer maximalen Höhe von 1,70 m verfügte. Der Vermieter kündigte das Mietverhältnis fristgemäß wegen Eigenbedarfs zum 31. Oktober 2017. Er begründete diesen damit, dass er die Wohnung für sich, seine drei Kinder und seine Mutter benötigen würde und plane, die Wohnungen im ersten Obergeschoss und im Dachgeschoss zu einer Einheit zu verbinden. Er selber bewohne seit dem 15. September 2015 eine Mietwohnung, für die er monatlich 1.800 € Nettokaltmiete zahle und die er zum 31. Mai 2017 gekündigt habe. Er bezog dann die über der Wohnung der Mieter liegende, leerstehende Dachgeschosswohnung. Die Mieter widersprachen der Kündigung und beriefen sich auf das Vorliegen von Härtegründen.
Das Amtsgericht hat die von dem Vermieter erhobenen Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung im ersten Obergeschoss mit der Begründung abgewiesen, die Eigenbedarfskündigung erweise sich als rechtsmissbräuchlich, weil der Vermieter seinen Eigenbedarf durch den Ankauf der Liegenschaft selbst herbeigeführt hätte. Er hätte nämlich seinen Wohnbedarf durch die Dachgeschosswohnung und unter Nutzung einer von mehreren in dem erworbenen Anwesen befindlichen Ferienwohnungen ohne wesentliche Abstriche decken könnte. Die hiergegen gerichtete Berufung des Vermieters hat das Landgericht zurückgewiesen. Es hat zwar die Eigenbedarfskündigung des Vermieters durchgreifen lassen, jedoch auf den Härteeinwand der Mieter nach §§ 574, 574a BGB angeordnet, dass das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortgesetzt wird.
Der Vermieter verfolgte mit der Revision die Räumung und Herausgabe weiter.
Der BGH stellt in seinem Urteil zunächst fest, dass die von dem Vermieter ausgesprochene Kündigung wegen Eigenbedarfs begründet gewesen sei und das Mietverhältnis mit Ablauf des 31. Oktober 2017 beendet habe. Im Besonderen sei die Kündigung nach ständiger Rechtsprechung nicht dadurch unwirksam, dass der Vermieter den Kündigungsgrund erst durch den Erwerb der vermieteten Wohnung selbst herbeigeführt habe. Werde dies hingegen angenommen, folge daraus eine Missachtung der nach Art. 14 Abs. 1 GG garantierten Befugnis des Eigentümers, sein Leben unter Nutzung seines Eigentums nach seinen Vorstellungen einzurichten.
Trotz vorhandener Alternativwohnungen ist es ferner nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Vermieter vernünftige und nachvollziehbare Gründe für das Festhalten an der Eigenbedarfskündigung anführen könne. Dabei habe das Bundesverfassungsgericht als vernünftigen und nachvollziehbaren Nutzungswunsch, der von den Gerichten grundsätzlich zu respektieren ist, die Absicht des Vermieters ausreichen lassen, zwei Wohnungen zusammenzulegen und diese als Einheit zu nutzen. Die Gerichte seien somit nicht berechtigt, ihre Vorstellungen von angemessenem Wohnen verbindlich an die Stelle der Lebensplanung des Eigentümers zu setzen.
Der Härteeinwand der Mieter müsse hingegen noch einmal vom Berufungsgericht überprüft werden. Dieses habe angenommen, dass ein Härtegrund nach § 574 Abs. 2 BGB vorliege, weil für die Mieter kein angemessener Ersatzwohnraum zu Verfügung stehe. Dabei hat es verkannt, dass zum einen nicht alle Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 BGB vorlägen und zum anderen habe das Gericht die ordnungsgemäße Interessenabwägung beider Seiten nach § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB missachtet. Dabei sei nicht nur zu prüfen, ob den Mietern tatsächlich kein alternativer Ersatzwohnraum zur Verfügung stehe, sondern es müssten auch die Vermieterinteressen abgewogen werden. Dabei dürfe der grundrechtlich verbürgten Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG und dem Rückerlangungsinteresse des Vermieter als Erwerber einer Mietwohnung nicht von vornherein ein geringerer Stellenwert beigemessen werden als einem Vermieter, der eine von ihm selbst vermietete Wohnung nach geraumer Zeit wegen nicht vorhersehbaren Eigenbedarfs kündigt. Das Berufungsgericht habe es hier unterlassen, selbst Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Mieter zu treffen und nur das angenommen, was die Familie in dem Kündigungserwiderungsschreiben selbst vorgetragen habe. Weiter habe es keine Feststellungen zu den konkreten Anstrengungen der Mieter getroffen, einen angemessenen Ersatzwohnraum zu finden.
Rechtsfehlerhaft sei insbesondere die Interessenabwägung des Berufungsgerichts. Bei einer Abwägung sei grundsätzlich eine sorgfältige Einzelfallprüfung und das Verfassungsrecht zu berücksichtigen. Gerade aufgrund der Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse dürfe keine Kategorisierung vorgenommen werden. Es sei nicht nur zu prüfen, ob den Mietern tatsächlich kein alternativer Ersatzwohnraum zur Verfügung stehe, sondern es seien auch die Vermieterinteressen abzuwägen. Dabei dürfe der grundrechtlich verbürgten Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG und dem Rückerlangungsinteresse des Vermieters als Erwerber einer Mietwohnung nicht von vornherein ein geringerer Stellenwert beigemessen werden als bei einem Vermieter, der eine von ihm selbst vermietete Wohnung nach geraumer Zeit wegen nicht vorhersehbaren Eigenbedarfs kündige. Ein Verweis auf die sich in dem vermieteten Objekt befindlichen Ferienwohnungen reiche laut BGH nicht aus, wenn man die Interessen der Vermieter geringer gewichten wolle. Zudem habe das Berufungsgericht auch die Interessen auf Mieterseite nicht vollumfänglich berücksichtigt.
Der BGH untersagt bei der Prüfung der Eigenbedarfskündigung nach § 573 BGB eindeutig eine schematische Lösung. Es muss vielmehr eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen Vermieter- und Mieterinteressen, welche vom Gesetz bereits vorgesehen ist, vorgenommen und diese auch konsequent angewendet werden. Jeder Eigentümer hat das Recht auf eine Lebensplanung nach seinen eigenen Vorstellungen und er muss seine vermieteten Wohnungen, gerade wenn er diese mit Hinblick auf eine Altersvorsorge erwirbt, grundsätzlich eines Tages auch selbst nutzen können. Das kann jedoch nur erreicht werden, wenn Grundrechte auf beiden Seiten berücksichtigt und die wirtschaftlichen sowie persönlichen Verhältnisse genau geprüft werden.
Wir beraten Sie gern auch zum Thema "richtig Kündigen", damit Ihre Kündigungen nicht auch erst von Gerichten bestätigt werden müssen. Rufen Sie uns einfach an oder schicken Sie uns eine Mail.