Krank, in Quarantäne, Verdachtsfälle und Betriebsschließungen

(Beitrag vom 25. März 2020)

Es ergeben sich viele Fragen für Arbeitgeber, egal ob kleinere oder größere Unternehmen. Viele arbeitsrechtliche Gesetze sind ggf. auch nicht „gemacht“ für eine solche Pandemie. Trotzdem sind sie natürlich zu beachten. Aus dem Grund möcheten wir hier die wichtigsten Fragen beantworten zur aktuellen Situation aus Arbeitgebersicht beantworten.

Wer entscheidet, wer zur Arbeit geht, gehen muss oder er zu Hause bleiben darf. Und wer zahlt in welchen Fällen den Lohn der Arbeitnehmer?

Hierbei muss man zunächst zwischen erkrankten und nicht erkrankten Arbeitnehmern unterscheiden.

Grundsätzlich hat ein nicht erkrankter Arbeitnehmer die Pflicht, die vereinbarte Arbeit abzuleisten. Einvernehmlich regeln kann man natürlich grundsätzlich vieles. Wenn Arbeitnehmer eine solche Freistellung- z.B. aus Angst vor Ansteckung- wünschen, sind Arbeitgeber berechtigt, den Arbeitnehmer ohne Bezahlung freizustellen. Die Entscheidung über die Bezahlung oder Nichtbezahlung in solchen Fällen trifft der Arbeitgeber.

Was gilt bei erkrankten Arbeitnehmern?

Auch hier muss man wieder unterscheiden: Ist der Arbeitnehmer erkrankt oder besteht ein nur konkreter Verdacht auf eine Infizierung mit Corvid 19?

Ein erkrankter Arbeitnehmer hat Anspruch auf Lohnfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz, (Auszubildende nach dem § 19 Abs. 1 Nr. 2 BBiG), und zwar für einen Zeitraum von max. 6 Wochen. Nach 6 Wochen andauernder Krankheit erhalten die Arbeitnehmer Krankengeld von ihrer Krankenkasse.

Das Krankengeld beträgt 70 Prozent des Bruttoverdienstes, aber nicht mehr als 90 Prozent des Nettogehalts. Arbeitgeber, die an dem Umlageverfahren U1 teilnehmen, erhalten einen Teil über die Krankenkasse erstattet. An diesem Umlageverfahren können allerdings nur Betriebe mit weniger als 30 Beschäftigten teilnehmen. Das ist der Regelfall bei erkrankten Arbeitnehmern. Selbstverständlich gilt dies auch für eine Erkrankung an Corvid 19.

Wie ist die rechtliche Lage bei Verdachtsfällen?

Zunächst können Arbeitgeber im Rahmen ihrer arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht berechtigt sein, einen aus einem Auslandsaufenthalt zurückkehrenden Arbeitnehmer zu befragen, ob derjenige sich in einer gefährdeten Region oder an Orten mit einem deutlich erhöhten Ansteckungsrisiko aufgehalten hat. Der Arbeitnehmer ist allerdings nicht verpflichtet, Auskunft über den genauen Aufenthaltsort zu geben. Aber man sollte solche Befragungen bei Urlaubsrückkehren unbedingt durchführen, die meisten Arbeitnehmer zeigen sich hier kooperativ.

Sollte sich eine konkrete Gefährdung ergeben, können Arbeitgeber aufgrund ihrer Fürsorgepflicht verpflichtet sein, Mitarbeiter von der Arbeit freizustellen.

Ggf. sollten sie- sofern möglich- auch eine Arbeit im Home Office erlauben. Zudem kann der Arbeitgeber in bestimmten Fällen eine betriebsärztliche Untersuchung eines zurückgekehrten Mitarbeiters anordnen. Er muss dabei das Selbstbestimmungsrecht und die körperliche Unversehrtheit des Mitarbeiters im Blick haben und stets das Interesse an der Aufklärung gegenüber den Rechten des Arbeitnehmers abwägen.

Das berechtigte Interesse des Arbeitgebers kann überwiegen, wenn der Arbeitnehmer besonderen Ansteckungsrisiken ausgesetzt war. Davon ist auszugehen, wenn sich der Arbeitnehmer in einer gefährdeten Region aufgehalten hat, für die eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts ausgesprochen worden war und der Arbeitnehmer z.B. Verkehrspunkte wie Bahnhöfe und Flughäfen mit erhöhtem Reise- und Publikumsverkehr aufgesucht hat. Der Arbeitgeber kann dann auch die Freistellung ohne oder gegen den Willen seines Arbeitnehmers erklären. Damit ist der Arbeitnehmer von seiner Leistungspflicht entbunden und ihm kann im Zweifel sogar berechtigt der Zugang zum Betrieb verweigert werden. Auch hier ist selbstverständlich eine Interessenabwägung vorzunehmen. Das Recht des Arbeitgebers, einen Mitarbeiter zu suspendieren wird auf arbeitsschutzrechtliche Vorschriften (§ 4 Nr.1 ArbSchG) und die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht (§ 241 Abs.2 BGB) gestützt.

Wer zahlt für freigestellte Arbeitnehmer in Verdachtsfällen?

Im Fall einer einseitigen Freistellung wegen Infektionsgefahr ist dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung unmöglich und die Vergütungspflicht des Arbeitgebers entfällt grundsätzlich nach § 326 Abs.1 S.1 BGB. Das gilt aber nur, wenn eine tatsächliche konkrete Infektionsgefahr nachweislich besteht. Der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers kann aber aufrechterhalten bleiben, wenn es sich um eine vorübergehende Arbeitsverhinderung im Sinne des § 616 BGB handelt.

In vielen Tarifverträgen und auch Arbeitsverträgen ist der § 616 BGB aber ausgeschlossen worden, sodass den Arbeitnehmern kein Anspruch auf Vergütung zustünde. Das sollten die Arbeitgeber also zunächst prüfen. Wenn der § 616 BGB nicht ausgeschlossen ist, ist allerdings noch nicht geklärt, ob eine solche Arbeitsverhinderung wegen der von dem betroffenen Arbeitnehmer ausgehenden unverschuldeten Ansteckungsgefahr angenommen werden kann. Grundsätzlich ist der Arbeitgeber gegenüber seinen übrigen Arbeitnehmern verpflichtet, den Betrieb von Ansteckungsgefahren freizuhalten.

Allerdings trifft den Arbeitgeber die Lohnfortzahlungspflicht nach § 616 BGB nur, wenn sich die Verhinderung von vornherein auf einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum beschränkt. Hier wird grundsätzlich ein Zeitraum von bis zu 5 Tagen angenommen. Allerdings soll immer eine Einzelfallbetrachtung vorgenommen werden. Bei einer Pandemie geht man davon aus, dass die Höchstfrist für die Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB sechs Wochen betragen kann.

Was muss ich als Arbeitgeber tun und welche Rechte habe ich, wenn ein Arbeitnehmer am Virus erkrankt ist?

Ist der Arbeitnehmer infolge der Viruserkrankung arbeitsunfähig, so hat er -wie bereits ausgeführt-einen Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung nach § 3 Abs.1 EFZG. Allerdings kommt ein Entgeltfortzahlungsanspruch nur dann in Betracht, wenn den Arbeitnehmer hinsichtlich der Erkrankung kein Verschulden trifft. Ein Verschulden kommt u.a. in Betracht, wenn der Mitarbeiter im Rahmen einer Privatreise gegen eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes verstoßen hat.

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, auf Verlangen des Arbeitgebers die für die Entstehung der Krankheit erheblichen Umstände im Einzelnen darzulegen. Verletzt der Arbeitnehmer diese Mitwirkungspflichten, so geht dies zu seinen Lasten. Insoweit ist der Arbeitgeber berechtigt, aus einem privaten Auslandsaufenthalt zurückkehrende Arbeitnehmer daraufhin zu befragen, ob sie sich in einer gefährdeten Region oder an Orten mit einem deutlich erhöhten Ansteckungsrisiko aufgehalten haben.

Ist dem an Corvid 19 erkrankten Arbeitnehmer zugleich nach § 31 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ein berufliches Tätigkeitsverbot oder Quarantäne angeordnet worden, besteht ein Entschädigungsanspruch nach § 56 Infektionsschutzgesetz. Darin ist geregelt, dass ein Arbeitnehmer im Fall der behördlichen Anordnung, wie z. B. Tätigkeitsverbot oder Quarantäne, einen Entgeltanspruch gegen seinen Arbeitgeber haben kann, jedenfalls vorübergehend.

In einem solchen Fall liegt nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Fall der „vorübergehenden, in der Person des Arbeitnehmers liegenden Verhinderungsgrundes“ vor. Auch hier ist der § 616 BGB die Grundlage dafür, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz Wegfalls der Pflicht zur Arbeitsleistung bezahlen muss. Der Zeitraum der Pflicht zur Entgeltfortzahlung hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, aber man geht auch hier wieder von einer Dauer bis zu 6 Wochen aus. Wie bereits gesagt, sollte aber zunächst geprüft werden, ob der § 616 BGB durch Einzel oder Tarifvertrag eingeschränkt oder ausgeschlossen ist.

Liegt nach § 616 BGB aber tatsächlich eine Pflicht der Arbeitgeber auf Lohnfortzahlung vor, hat man in den Fällen, in denen Quarantänen oder Tätigkeitsverbote verhängt wurden, als Arbeitgeber einen öffentlich-rechtlichen Entschädigungsanspruch. Personen, die als Ansteckungsverdächtige auf Anordnung des zuständigen Gesundheitsamts isoliert werden und deshalb einen Verdienstausfall erleiden, erhalten bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen eine Entschädigung nach § 56 des Infektionsschutzgesetzes. Die Entschädigungsansprüche nach § 56 IfSG sollten nach meiner Auffassung bei behördlich angeordneter Quarantäne oder Tätigkeitsverboten aber in jedem Fall vorsorglich geltend gemacht werden.

Wie lange dauert es, bis solche Gelder fließen?

Es kann für Betribe problematisch sein, dass sie als Arbeitgeber in Vorleistung treten müssen, das heißt der Lohn erst einmal „normal“ abgerechnet werden muss und erst dann der Antrag auf Erstattung der ausgezahlten Beträge bei der zuständigen Behörde, das ist hier in Bielefeld der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), gestellt werden kann.

Ich empfehle Arbeitgebern daher, bei der zuständigen Behörde einen Vorschuss in der voraussichtlichen Höhe des Erstattungsanspruches zu beantragen, das ist ausdrücklich vorgesehen. Und den Arbeitnehmern, deren Arbeitgeber trotz der gesetzlichen Pflicht nicht in Vorleistung getreten sind, empfehle ich, den Antrag selber zu stellen gem. § 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG.

So kann man versuchen die finanziellen Lücken schnellstmöglich zu schließen.

Wie hoch ist denn die Entschädigung für die Arbeitnehmer?

In den ersten sechs Wochen entspricht die Höhe der Entschädigung der Höhe des Verdienstausfalls, ab der siebten Woche wird sie in Höhe des Krankengeldes gezahlt.

Kann man den Antrag sofort stellen?

Den Antrag auf Vorschuss ja, den konkreten Zahlungsantrag nach Abrechnung und Auszahlung.

Wichtig ist in jedem Fall, die 3-Monats-Frist einzuhalten. Der Entschädigungsantrag muss nämlich innerhalb einer Frist von 3 Monaten nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit oder am Ende der Quarantäne gestellt werden. Bei Verspätung besteht die Gefahr der Ablehnung der Anträge.

Zu beachten ist auch, dass der Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz natürlich nicht besteht, wenn man sich freiwillig einer Quarantäne unterwirft.

Wie sieht es aus, wenn Arbeitgeber ihre Mitarbeiter, die gesund sind, nach Hause schicken?

Arbeitgeber dürfen Mitarbeiter anweisen, zu Hause zu bleiben, allerdings entfällt dann nicht etwa die Pflicht zur Lohnfortzahlung.

Kann ein ArbeitgeberAnordnungen treffen, dass - sofern es technisch möglich ist - von zu Hause gearbeitet werden soll?

Das kann man natürlich jederzeit einvernehmlich vereinbaren und das „Home Office“ stellt nach meiner Auffassung auch eine gute Alternative zur Arbeit im Büro dar. Allerdings muss grundsätzlich hierzu eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag vorhanden sein. Eine einseitige Anordnung ist nicht ohne weiteres möglich.

Es ist aber nach meiner Erfahrung eher zu erwarten, dass die Arbeitnehmer einer solchen Aufforderung in dieser Situation auch nachkommen, ohne hier auf ihre formalen Rechte zu pochen.

Wie sieht es eigentlich für die Arbeitnehmer aus, die Kinder zu betreuen haben?

Kitas und Schulen sind mindestens bis zum Ende der Osterferien geschlossen. Das bringt für viele Probleme mit sich. Insbesondere in Verbindung mit dem dringenden Aufruf, die Risikogruppen besonders zu schützen und von unnötigen Kontakten abzusehen. Zu den Risikogruppen gehören bekanntlich ältere Menschen und daher sollten die Eltern ihre Kinder gerade nicht in die Obhut der Großeltern geben. Auch hier sollten flexible und einvernehmliche Lösungen mit den Mitarbeitern gefunden werden.

Grundsätzlich gilt aber für die betroffenen Eltern auch die Arbeitspflicht. Auch hier ist wieder der § 616 heranzuziehen. Kann ein Arbeitnehmer nicht zur Arbeit kommen, weil er keinerlei Möglichkeit hat, eine anderweitige Kinderbetreuung zu organisieren, so hat er unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Lohnfortzahlung: Wer ohne eigenes Verschulden und aus einem persönlichen Grund verhindert ist und nicht zur Arbeit kommen kann hat nach § 616 BGB Anspruch auf Weiterzahlung des Gehalts, wenn eine Beaufsichtigung oder Betreuung geboten ist und andere geeignete Aufsichtspersonen nicht zur Verfügung stehen.

Nur wenn keine andere Möglichkeit zur Verfügung steht, hat der Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht und wird von der Pflicht zur Arbeitsleistung frei. Der Anspruch nach § 616 BGB gilt aber, wie bereits gesagt, nur für eine verhältnismäßig kurze Zeit. Man nimmt hier an, dass bis zu 5 Tage das Gehalt zu zahlen ist, wenn ein Elternteil aus Betreuungsgründen der Arbeit fernbleibt. Danach müsste der Arbeitnehmer dann zur Betreuung entweder Urlaub nehmen, Überstunden abbauen oder aber sich unbezahlt frei nehmen.

Dürfen  Ärzte Eltern, die ihre Kinder betreuen müssen, krankschreiben?

Nein, wenn weder Eltern noch Kind krank sind, können weder so genannte „Kinderkrankenscheine“ noch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt werden. Die Voraussetzungen liegen einfach nicht vor.

Wie sieht es rechtlich aus, wenn ein Kind oder andere Angehörige eines Arbeitnehmers am Corona-Virus erkrankt sind?

Wenn ein Kind erkrankt und betreuungsbedürftig ist, hat man als Elternteil eine Fürsorgepflicht und ist verpflichtet, sich um das erkrankte Kind zu kümmern, wenn es keine andere im Haushalt lebende Person gibt, die die Pflege während der Arbeitszeit übernehmen kann. Dies gilt zumindest so lange das Kind jünger als 12 Jahre alt ist.

Der Betreuungsfall ist auch ein Fall der vorübergehenden Verhinderung an der Arbeitsleistung gem. § 616 BGB und berechtigt den Arbeitnehmer für einen vorübergehenden Zeitraum zur Aufrechterhaltung seines Vergütungsanspruchs. Als Nachweis verlangen viele Arbeitgeber eine ärztliche Bescheinigung, das ist der im Volksmund so genannte „Kinderkrankenschein“.

Die Entgeltfortzahlungspflicht besteht auch wieder nur gegenüber Arbeitnehmern, bei denen der § 616 BGB im Arbeitsvertrag nicht ausgeschlossen ist. Wenn im Arbeitsvertrag oder im Tarifvertrag ein solcher Ausschluss geregelt ist, steht man als Eltern allerdings nicht alleine da. Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte haben dann die Möglichkeit, sich von der Arbeit wegen eines kranken Kindes nach § 45 Abs. 3 SGB V freistellen zu lassen. Die Freistellung ist möglich, wenn das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, keine andere Person des Haushalts das Kind beaufsichtigen, betreuen oder pflegen kann und ein Arzt bescheinigt hat, dass die Betreuung notwendig ist.

Sie ist unbezahlt und kann je Kind im Kalenderjahr höchstens 10 Arbeitstage, insgesamt maximal 25 Arbeitstage, dauern. Alleinerziehende können die doppelte Zeit geltend machen. Während der Freistellung besteht ein Anspruch auf Krankengeld in Höhe von 70 Prozent des ausgefallenen Bruttoarbeitsentgelts.