Reicht die Einhaltung der DIN-Normen für ein sach- und fachgerechtes Werk?

Unter Praktikern hält sich hartnäckig die Vorstellung, dass es ausreicht, die relevanten DIN-Normen einzuhalten, damit ein Bauwerk sach- und fachgerecht sei. Umgekehrt sei es immer mangelhaft, wenn einschlägige DIN-Normen nicht eingehalten werden. Selbst Sachverständige prüfen oft nur die Übereinstimmung mit festgehaltenen DIN- oder VDI-Normen. Doch ist das richtig?

Mangelfreie Beschaffenheit

Kern der Überlegung ist die gesetzliche Verpflichtung, ein Werk „frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen“.

Mangelfrei ist das Werk gem. § 633 Abs. 2 BGB dann, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Wenn keine Beschaffenheit vereinbart ist, muss es sich für die „nach dem Vertrag vorausgesetzte“ Verwendung eignen, wenn es diese nicht gibt, für die „gewöhnliche“ Verwendung eigenen und die übliche Beschaffenheit haben.

Die Gerichte nehmen dabei in der Regel an, dass der Besteller auch ohne ausdrückliche Vereinbarung erwarten kann, dass der Unternehmer „diejenigen Qualitäts- und Komfortstandards erfüllt, die auch vergleichbare andere zeitgleich fertiggestellte und abgenommene Bauwerke erfüllen“ (BGH, Urteil vom 19.01.1995, VII ZR 131/93).

Diese Standards sind die anerkannten Regeln der Technik. Soweit die VOB/B wirksam einbezogen werden, ist in § 13 Abs. 1 S. 2 VOB/B sogar ausdrücklich vereinbart, dass die anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden müssen.

Allgemein anerkannte Regeln der Technik

Was allgemein anerkannte Regeln der Technik sind, ist nicht im Gesetz definiert, sondern nur durch die Gerichte festgelegt. Allgemein anerkannt ist eine Regel nach ständiger Rechtsprechung dann, wenn sie Konsens zwischen den technischen Fachleuten ist, also nicht nur allgemein wissenschaftlich anerkannt ist, sondern sich auch praktisch bewährt hat.

Nicht zu verwechseln sind die allgemein anerkannten Regeln der Technik mit dem Stand der Technik, der den aktuellen Stand der Forschung, bzw. des Machbaren darstellt. Die allgemein anerkannten Regeln der Technik geben das wieder, was von dem Stand der Technik nach einiger Zeit als „praktisch bewährt“ verbleibt.

Anerkannte Regeln der Technik können, müssen aber nicht schriftlich festgehalten sein.

DIN-Normen

Die Regeln des Deutschen Instituts für Normung e.V. – DIN-Normen – und allgemein anerkannte Regeln der Technik sind nicht zwingend identisch. Das hat der BGH schon vor Jahrzehnten klargestellt.

Bei den DIN-Normen handelt es sich nicht um Rechtsnormen. Es sind lediglich private Regelungen mit Empfehlungscharakter (BGH, Urteil vom 06.06.1991, Az. I ZR 234/89).

Veraltete DIN: Schallschutz wie in 1962

Es kann also Fälle geben, bei denen die DIN-Normen so veraltet sind, dass die Einhaltung nicht ausreicht, um auch die anerkannten Regeln der Technik einzuhalten.

Diesen Fall hatte der BGH Ende der 90er entschieden, weil die Schalldämmung in der DIN 4109 im Wesentlichen zwischen 1962 und 1989 nicht verbessert wurde. Es gab zwar eine aktualisierte Version von 1984, die der Bauunternehmer und sogar der hinzugezogene Sachverständige in einem 1988 bis 1989 errichtetem Haus zu Grunde gelegt hatten. Diese beruhte aber letztlich auch auf den Regelungen aus 1962.

Die alten Regelungen hat der BGH als nicht mehr hinreichend aktuell und damit nicht mehr als den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechend eingestuft (Urteil vom 14.05.1998, Az. VII ZR 184/97).

Zu strenge DIN: Niemand macht das so

Es kann jedoch auch vorkommen, dass DIN-Normen mehr sind als die anerkannten Regeln der Technik.

So hat das OLG Düsseldorf in einem Fall festgestellt, dass im Fall des öffentlich geförderten Wohnraumes im Wesentlichen niemand die Anzahl der Steckdosen und Schalter, die in der einschlägigen DIN 18015-2 normiert sind, einhält (OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.02.2023, Az. 5 U 227/21).

Wenn also die Allgemeinheit der Fachleute die DIN nicht einhält, ist die DIN damit auch keine allgemein anerkannte Regel der Technik.

Ebenfalls das OLG Düsseldorf hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nur „möglich“ ist, dass DIN-Normen die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben. Es zweifelt aber daran, dass das immer der Fall ist. Das Gericht hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch DIN-Normen sich manchmal erst als anerkannte Regeln der Technik etablieren müssen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.11.2024,  Az. 22 U 40/24).

Fazit

In den meisten Fällen werden die einschlägigen DIN-Normen als Maßstab für die anerkannten Regeln der Technik herangezogen.

Grundsätzlich muss aber in jedem Einzelfall überprüft werden, wie genau die anerkannten Regeln der Technik für das konkrete Gewerk aussehen.

Keiner der Beteiligten kann sich jedoch darauf verlassen, dass die Normen auch die anerkannten Regeln der Technik wiederspiegeln. Relevant wird das insbesondere dann, wenn Normen besonders alt sind, oder gerade neu.