Commerzbank lehnt Widerruf trotz Urteil des Europäischen Gerichtshofs ab

(Beitrag vom 28. April 2020)

Aufgrund der neuesten Entwicklung in Widerrufsfällen mit der Widerrufsinformation seit 2010 sind nun die ersten Widerrufe von Darlehen bereits erklärt. Die Commerzbank weist den Widerruf als „verfristet“ zurück und beruft sich dabei auf die (alte) Rechtsprechung des Bundesgerichtshof.

Hier der Wortlaut der Begründung der Commerzbank AG:

„Die von Ihnen erwähnte Entscheidung des EuGH führt nicht dazu, dass die Ihnen erteilte Widerrufsinformation als fehlerhaft angesehen werden kann. Denn die Rechtmäßigkeit der Ihnen erteilten Widerrufsinformation beurteilt sich nicht nach der europarechtlichen Richtlinie, sondern nach dem deutschen Gesetz zur Umsetzung dieser Richtlinie. Die Bank hat vorliegend das vom Gesetzgeber vorgegebene Muster verwendet. Insoweit hat der BGH bereits klargestellt, dass die Bank nicht genauer als der Gesetzgeber formulieren musste (Urteil. vom 22.12.2016, XI ZR 434/15). Ferner hat der deutsche Gesetzgeber in Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB ausdrücklich angeordnet, dass bei Verwendung des gesetzlichen Musters die Verpflichtung der Bank als erfüllt gilt, den Verbraucher über sein Widerrufsrecht zu belehren. Über diese eindeutige gesetzliche Regelung der Gesetzlichkeitsfiktion können sich deutsche Gerichte nicht hinwegsetzen. Dies hat der BGH in Kenntnis des Vorlagebeschlusses des LG Saarbrücken vom 17.01.2019, welcher letztendlich zum Urteil des EuGH geführt hat, bereits mehrfach entschieden (Beschluss vom19.03.2019, XI ZR 44/18; Beschluss vom 02.04.2019, XI ZR 488/17; Beschluss vom 12.11.2019, XI ZR 74/19; Urteil vom 11.02.2020, XI ZR 648/18, Rz.36.)

Die Ihnen erteilte Widerrufsinformation ist daher nicht als fehlerhaft zu betrachten. Ein Widerruf des Darlehens ist nicht mehr möglich, da die Widerrufsfrist längst abgelaufen ist.“

Problematisch dabei ist natürlich die Tatsache, dass diese zitierten Urteile zwar nach der Einreichung aber vor der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 26.03.2020 (Aktenzeichen C – 66/19) ergangen sind.

Die Urteile des Bundesgerichtshof sind damit überholt,  was insbesondere für die ärgerlich ist, deren Klage dort abgewiesen wurde.

Insbesondere ist durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs die Behauptung der Commerzbank falsch, dass sich die Gerichte „über diese eindeutige (Anm.: deutsche) gesetzliche Regelung der Gesetzlichkeitsfiktion nicht hinwegsetzen können“.

Das ist genau der Kern des Problems.

Aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs müssen sich die Gerichte nämlich zukünftig explizit über diese „Gesetzlichkeitsfiktion“ hinwegsetzen (also der gesetzlichen Vermutung, dass die Bank eine richtige Widerrufsinformation erteilt hat, wenn sie das gesetzliche Muster richtig verwendet hat).

Dies folgt aus Art. 23 des Grundgesetzes. Hierin hat sich die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, europäische Regeln umzusetzen und zu achten. Dazu gehören selbstverständlich auch Entscheidungen des europäischen Gerichtshofs.

Deswegen hat das deutsche Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach entschieden, dass solche gesetzlichen (nationalen = deutschen) Regelungen, die gegen europäisches Recht verstoßen, nicht mehr angewendet werden dürfen.

Wie sollte sich auch sonst eine einheitliche Rechtsgrundlage in Europa ansonsten entwickeln? Eine gewisse Verbindlichkeit ist dafür schließlich notwendig, wenn die Europäischen Entscheidungen nicht völlig nutzlos bleiben sollen.

Sofern also ein deutsches Gericht diese „Gesetzlichkeitsfiktion“ zur Verwendung des Musters der Widerrufsinformation trotzdem in seiner rechtlichen Würdigung im Urteil anwendet, begeht es einen Verstoß gegen das Grundgesetz. Es ist daher absehbar, dass „am langen Ende“ das Bundesverfassungsgericht eine solche Entscheidung aufheben würde.

Bei richtiger Würdigung des europäischen Urteils müssten die Gerichte daher zunächst einmal feststellen, dass nicht richtig belehrt wurde. Ob dies dann am Ende zum gewünschten Erfolg (Rückabwicklung des Darlehens und Abschluss zu neuen aktuellen Konditionen) führt, werden die weiteren Rechtsstreitigkeiten zeigen.

Es ist absehbar, dass die Gerichte auch wieder auf Rechtsinstrumente wie „Verwirkung“ des Widerrufsrechts zurück greifen werden, um eine Klage doch abzuweisen.

Wir werden über die weitere Entwicklung in diesen Rechtsstreitigkeiten regelmäßig berichten.

Wir verfügen über jahrelange Erfahrung hinsichtlich des Widerrufs von Finanzierungen.

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