Keine Arbeitszeiterfassung mittels Fingerabdruck-Systems

(Beitrag vom 01.01.2020)

Eine Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg, die insbesondere jeden Arbeitgeber aufhorchen lassen sollte:

Demnach ist ein Arbeitnehmer nicht dazu verpflichtet, seinen Fingerabdruck mittels Fingerabdruck-Systems scannen zu lassen. Eine Verweigerung ist damit auch kein Grund für eine Abmahnung.

Das Urteil des EUGH vom 14.Mai 2019 hat dafür gesorgt, dass sich Arbeitgeber nun seit mehr als einem Jahr Gedanken darüber machen, welches System zur Arbeitszeiterfassung sie in ihrem Unternehmen einführen.

Für eine unter vielen Varianten hat das LAG Berlin-Brandenburg nun einen Riegel vorgeschoben: Ein System, das mit der Erkennung von Fingerabdrücken funktioniert, ist ohne Einwilligung der Beschäftigten unzulässig.

Im konkreten Fall klagte ein Arbeitnehmer auf Entfernung seiner Abmahnungen. Sein Arbeitgeber führte ein Zeiterfassungssystem ein, bei dem sich die Mitarbeiter mit ihrem Fingerabdruck an- und abmelden sollten. Dabei erfolgt ein Abgleich des Fingerabdrucks mit zuvor im Zeiterfassungsterminal gespeicherten Daten.

Der klagende Mitarbeiter weigerte sich, dieses System zu nutzen. Er erteilte gegenüber dem Arbeitgeber keine Einwilligung zur Nutzung seiner Daten. Daraufhin sprach der Arbeitgeber ihm gegenüber zwei Abmahnungen aus. Die Abmahnungen hielt der Arbeitgeber für gerechtfertigt. Ihm zufolge seien alle anderen Zeiterfassungssysteme manipulierbar. Es werde ja auch kein kompletter Fingerabdruck erfasst, sondern nur die Minutien.

Sowohl das Arbeitsgericht Berlin als auch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg sahen dies anders. Die Richter waren sich einig, dass es sich bei dem verwendeten Minutiendatensatz um biometrische Daten i.S.d. Art. 9 Abs. 1 DSGVO sowie um personenbezogene Daten nach § 26 Abs. 3 BDSG handelt. Eine Verarbeitung dieser besonderen Daten ist generell verboten. Nur ausnahmsweise dürfen solche Daten verarbeitet werden. Etwa dann, wenn eine Einwilligung vorliegt, eine Kollektivvereinbarung oder wenn die Datenverarbeitung erforderlich ist. Da sowohl eine Einwilligung als auch eine Kollektivvereinbarung nicht gegeben waren, prüften die Richter die Erforderlichkeit. Diese Prüfung kam zum Ergebnis, dass die Arbeitszeiterfassung durch Fingerprint nicht erforderlich ist. Die Grundrechte und Grundfreiheiten würden dadurch erheblich beeinträchtigt. Auch wird eine solche Zeiterfassung nicht dadurch erforderlich, dass andere Zeiterfassungssysteme „manipulierbar“ sind. Entsprechend ist eine Zeiterfassung unter Einsatz biometrischer Daten nicht zulässig. Die verweigerte Nutzung des Mitarbeiters stellt damit keine Pflichtverletzung dar.

Somit konnte der klagende Arbeitnehmer die Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte verlangen.

 

Mein Tipp an Sie

Selbstverständlich ist es nachvollziehbar, wenn Arbeitgeber ein System für die Arbeitszeiterfassung einrichten lassen wollen, dass so manipulationssicher, wie möglich ist. Allerdings ist es hierbei, insbesondere für das Betriebsklima insgesamt effizienter, wenn Sie Ihren Arbeitnehmern vertrauen und dafür lieber ein System einrichten lassen, dass vielleicht manipulierbar, aber dafür rechtlich unbedenklich ist. Denn schließlich sind Vertrauen und ein gutes Betriebsklima die besten Voraussetzungen dafür, dass Ihre Arbeitnehmer erst gar nicht auf die Idee kommen, das System der Zeiterfassung zu manipulieren.

 

Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 16.10.2019, Az. 29 Ca 5451/19 und LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.06.2020, 10 Sa 2130/19.